Dialog und Partizipation stärken die Akzeptanz von Wasserstoff
AutorIn: | HyExperts Hagen |
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Datum: | 21. Dezember 2023 |

Zum Abschluss unserer vierteiligen Serie rund um das HyExperts-Projekt richten
wir den Fokus auf die Menschen in der Region. Von ihrer Unterstützung hängt
vieles ab. Im Interview erläutert die Kommunikationswissenschaftlerin Dr.
Julia-Lena Reinermann, Fernuniversität Hagen, warum das so ist und welche
Maßnahmen die Akzeptanz fördern können.
Die Erfahrung hat gezeigt: Ohne die Akzeptanz der Menschen vor Ort kommt die
Energiewende nicht voran. Grund genug für die Macherinnen und Macher des
HyExperts-Projekts, eng mit der Forschung zusammenzuarbeiten und mehr über die
Menschen, ihre Bedarfe und Bedürfnisse zu erfahren. Das Lehrgebiet
Umweltwissenschaften an der Fernuniversität Hagen hat erste, aktuelle Chancen
sowie Risiken hierfür identifiziert.
Frau Dr. Reinermann, welche Rolle spielt die Akzeptanz der Menschen, wenn es um
neue Energieträger geht?
In der Energiewende stehen oftmals die Technologien im
Fokus. Aber der Erfolg hängt immer auch von den Menschen ab. Das
Nutzungsverhalten der Erneuerbaren ist zentral, um die Energiewende erfolgreich
zu machen. Ebenso zentral ist die grundsätzliche Unterstützung der
Implementation vor Ort. Wir wissen aus vielen Studien, dass die Menschen in
Deutschland umwelt- und ressourcenschonende Energieformen, zu denen auch z. B.
grüner Wasserstoff gehört, befürworten. Wenn es dann aber an die lokale
Umsetzung geht, sieht es schnell anders aus. Dann gibt es Klagen, wie im Fall
der Windkraft: Der Umweltschutz werde nicht berücksichtigt, die Landschaft
verschandelt oder der Wert einer Immobilie sinkt. Oft fehlt es schlicht an
Information und die Menschen wurden nicht frühzeitig genug einbezogen. Oder
schlimmer, es wurde über sie hinweg entschieden. Auch beim Wasserstoff werden
Anpassungen an die Infrastruktur und an die Gewohnheiten der Anwender:innen
notwendig werden.
Was halten die Menschen von H2 – aus Sicht der sozialwissenschaftlichen Forschung?
Es gibt einige Umfragen in Deutschland, in denen die Menschen
Wasserstoff-Technologien durchaus befürworten und auch für ihren Ausbau sind.
Es gibt Technologieoffenheit und Interesse. Das alles kann aber auch in
Ablehnung umschlagen. So gab es bereits Proteste gegen
Wasserstoffproduktionsanlagen. Auch bringt die Wasserstoffproduktion ein
erhöhtes Transportaufkommen mit sich, etwa Lärm und Staub von LKWs. Zudem
benötigt die Produktion viel Wasser, der Klimawandel macht hingegen vielerorts
den Wassermangel deutlich.
Wie ließe sich denn mehr Zustimmung erreichen?
Partizipation und frühzeitige Information so wie eine transparente Darstellung
von Chancen und Risiken spielen auch beim Thema grüner Wasserstoff eine
entscheidende Rolle. Weiterhin ist die Verteilungsgerechtigkeit zentral: Können
die Bürger*innen finanziell beteiligt werden? Zentrale Fragen für alle
Beteiligten sollten daher auch sein: Wem gehört der Wasserstoff? Für wen wird
er produziert? Und: Wer profitiert davon?
Inwiefern können Projekte wie HyExperts für mehr Akzeptanz sorgen?
Pilotprojekte wie dieses bieten zunächst mal Raum für die Frage, wie gut eine
Kommune aufgestellt ist. Welche Kapazitäten und Akteure gibt es? Wer ist
bereit, zu investieren? Wer ist schon aktiv? Das sind die Fragen im Rahmen
einer Standort-Analyse. Wir aus der Akzeptanzforschung können ermitteln, was
gesellschaftliche Akteure vor Ort denken und wie sie sich einbringen. Das
wiederum gibt den Verantwortlichen wichtige Hinweise, worauf zu achten ist.
Insofern liefern Projekte wie HyExperts wichtige Impulse für die Kommune oder
die politische Verwaltung. So haben wir herausgefunden, dass die Informationen
über die lokale Energiewende in Hagen schwer zugänglich sind. Interessierte
finden nicht sofort Angaben oder Daten zur lokalen Energiewende. In der
Vergangenheit hat es darüber hinaus Beteiligungsverfahren gegeben, die
teilweise für die Beteiligten schlecht erreichbar waren. Das schafft
Intransparenz und sorgt für Unmut. Gleichzeitig ist das Interesse groß, dass
Hagen und die Region zu einem Vorreiter werden und innovative Unternehmen die
Energiewende stützen! Hierin liegt für HyExperts eine Chance – es besser zu
machen und Anreize zu schaffen.
Welche Rolle spielt dabei die Art der Wissensvermittlung?
Dazu ist zunächst die Ermittlung des Wissensbedarfs in der Region wichtig.
Meine Kollegin Dr. Esther Stahl vom Fraunhofer-Institut UMSICHT hat diesen
Aspekt für Hagen untersucht. Welches Fachpersonal wird gebraucht? Welche
Ausbildung benötigt es? Weiterhin steht beispielsweise die Idee eines
H2-Infohauses im Raum, z. B. als ein Infomobil, das zu den Menschen kommt, sie
informiert und so im optimalen Fall besser mitnehmen kann. Die Kommune schaut
nun, was sich wie umsetzen lässt. Unserer Erfahrung nach ist das nicht immer
einfach. Oft fehlt es in den Rathäusern vielerorts an Personal und Budget, um
aus guten Ideen erfolgreiche Maßnahmen zu machen.
Welchen sonstigen Herausforderungen müssen sich diejenigen stellen, die Wasserstoff voranbringen wollen?
H2 ist nicht gleich H2. Was sich viele wünschen, ist der sogenannte grüne
Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Doch Deutschland ist
noch immer zu langsam beim Ausbau der Erneuerbaren. Auch in Zukunft wird es
eher schwierig, mit grünem Wasserstoff den industriellen Bedarf zu decken.
Grauer Wasserstoff aus fossilen Energiequellen ist hingegen nicht klimaneutral.
Es gibt bereits erste Projekte, bei denen grüner Wasserstoff aus Ländern wie z.
B. Namibia bezogen werden soll. Das wiederum ist allerdings auch nicht ohne
Herausforderungen. Auch hier sind wir wieder bei der Frage einer gerechten
Verteilung, dass am Ende nicht nur Deutschland profitiert, sondern auch Namibia
und die Menschen vor Ort.
Zum Schluss: Was zählt für Sie beim Thema Wasserstoff ganz persönlich?
Für Wasserstoff und für die erneuerbaren Technologien gilt: Die Energiewende
ist als ein Gemeinschaftsprojekt an den Start gegangen, daher ist es wichtig,
die Menschen und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen, sie und ihr lokales
Wissen einzubeziehen und ihnen zuzuhören. Kleine Kommunen wie etwa Saerbeck
im Münsterland zeigen uns, wie Menschen sich erfolgreich beteiligen lassen,
auch am monetären Gewinn, Stichwort: Bürgerenergie-Genossenschaften. Wir
dürfen nicht vergessen, dass die Geschichte der Energiewende vor allem eine
Geschichte engagierter Bürger:innen gewesen ist. Diesen Geist, der den
Anfängen innewohnt, gilt es ernst zu nehmen – auch für die Zukunft.
Vielen Dank für das Gespräch!
Seit dem Frühjahr haben wir rund um das HyExperts-Programm in und für Hagen
berichtet. Unsere Themenschwerpunkte zum Nachlesen: Mobilität,Erzeugung, Speicherung und Transport,
von Wasserstoff sowie der Blick auf kommunale Unternehmen.