Wasserstoffwirtschaft in Hagen: Standortvorteile klug nutzen

AutorIn: HyExperts Hagen
Datum: 24. Juli 2023
Wasserstoff Anlage

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Wie gut ist die Stadt auf Erzeugung, Speicherung und Transport von Wasserstoff vorbereitet? Wo liegen die Standortvorteile? Und: Welche besonderen Herausforderungen gibt es? Lesen Sie Teil 2 unserer Serie zum HyExperts-Programm in Hagen.
Hagen, im Juli 2023. Die Wasserstoffzukunft in Hagen nimmt Gestalt an. Innerhalb der nächsten Jahre könnte der Startschuss für die Wasserstoffwirtschaft fallen. Welche Bedingungen erfüllt und welche Hindernisse aus dem Weg geräumt werden müssen, das wissen die Experten Shaun Pick und Nikolas Beneke von der BBH Consulting AG, die die Gesamtprojektleitung übernimmt. Heute richten die beiden ihren Blick insbesondere auf die Herausforderungen, die bei der Erzeugung, der Speicherung und dem Transport von Wasserstoff vor Ort zu berücksichtigen sind.

Grüner Wasserstoff für Hagen

„Wer wissen will, wie grüner Wasserstoff produziert oder gespeichert wird, muss zunächst verstehen, was grüner Wasserstoff überhaupt ist und was ihn ausmacht“, erklärt Shaun Pick, leitender Berater im HyExperts-Projekt. „Erst in diesem Jahr hat die EU eine Verordnung vorgelegt, die definiert, was genau erneuerbarer Wasserstoff ist. Diese hat direkten Einfluss auf die Erzeugungspotenziale – auch hier in Hagen.“

Die gute Nachricht: Der für die Wasserstoffgewinnung notwendige grüne Strom kann ganz normal aus dem Netz bezogen werden. Die nötigen Elektrolyseure lassen sich, wie andere Maschinen, einfach ans Stromnetz anschließen. Entscheidend ist, dass sich die Anlagen für die Wasserstoff- und Stromproduktion in der gleichen Gebotszone befinden – also im Bundesgebiet. Hier ist dann theoretisch jeder Anbieter von Öko-Strom wählbar, bei großen Mengen zum Beispiel auch Offshore-Windparks im Norden. Da jedoch Strom etwa zwei Drittel des H2 -Preises ausmacht, ist es sinnvoller, Energie aus der Region zu beziehen, anstatt Anlagen(-betreiber) im Norden zu fördern. Wichtig ist auch: Um starke Schwankungen im Netz oder gar Überlastungen zu vermeiden, muss der benötigte Strom ab dem 1.1.2030 innerhalb einer Stunde direkt zur Elektrolyse genutzt werden. Aktuell reicht es noch, den Strom im selben Monat zu verbrauchen.

Wenn es um Energiemengen geht, geben sich die beiden Experten zuversichtlich. „Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in Hagen auch größere Elektrolyseure jenseits einer Leistung von 100 Megawatt haben werden“, sagt Nikolas Beneke. „Damit könnten wir einer steigenden Nachfrage der Industrie entsprechen.“ Ergänzt würden die Großanlagen durch kleinere, dezentrale, die zum Beispiel von Mobilitätsunternehmen genutzt werden können. Je nach Leistung haben kleinere Anlagen die Größe von Schiffscontainern, leistungsfähigere nehmen hingegen durchaus die Ausmaße von Produktionshallen an, wobei sich auch mehrere Kleinanlagen in Reihe schalten lassen.

Viel Wasser, viele nutzbare Anlagen

Einen klaren Standortvorteil haben die Fachmänner auch schon ausgemacht, denn Hagen verfügt neben reichen Wasservorkommen über bereits vorhandene Kraftwerksinfrastrukturen. Interessant sind hier vor allem Gaskraftwerke. Diese sind nämlich bereits mit den notwendigen Strom- und Wasseranschlüssen ausgestattet und haben oft sogar eine Wasseraufbereitung, um Trink- oder Brunnenwasser zu Reinstwasser zu entmineralisieren. Letzteres wird gebraucht, damit Wasser gut in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten werden kann.

Darüber hinaus verfügen einige Unternehmen in Hagen bereits über kleine Speichereinheiten, um ihren Logistik-Aufwand zu reduzieren, weiß Shaun Pick zu berichten. „Kurz- bis mittelfristig sind derartige Speicher nötig. Langfristig ist geplant, Teile des Hagener Gasnetzes ebenfalls als Speicher einzusetzen – das kann sukzessive ab 2030 möglich werden.”

Umstellung steht bevor

Wann genau die Netzbetreiber die bisherigen Gaspipelines, zunächst anteilig, für Transport und Speicherung von Wasserstoff freigeben, hängt auch von einem gesicherten Mindestverbrauch ab. Schließlich soll sich die Umstellung lohnen. Nikolas Beneke ist überzeugt: „Wir sind in Sachen Verbrauch ziemlich gut aufgestellt. Vor allem im Speditionsbereich und in der Industrie gibt es motivierte Akteure, die bereits Machbarkeitsstudien durchgeführt haben. Einige sind schon kurz davor, Fahrzeuge zu beschaffen und Tankstellen für den Eigenbedarf zu errichten.“

Die Suche nach Standorten für die ersten öffentlich zugänglichen Wasserstoff-Tankstellen in Hagen läuft wie berichtet ebenfalls auf Hochtouren. Rund 100 von ihnen gibt es in Deutschland bereits, eine weitere ist im benachbarten Ennepe-Ruhr-Kreis geplant. Auch die Nachbarstädte Dortmund und Wuppertal verfügen bereits über Anschlüsse, wie auf einer aktuellen Karte zu ersehen ist. „In den nächsten ein bis zwei Jahren hat Hagen seine eigene öffentliche H2 -Tankstelle“, zeigen sich die beiden Experten optimistisch.

Ein Wort zum Thema Sicherheit

Um Risiken bei Transport und Speicherung von Wasserstoff auszuschließen, sind einige Vorkehrungen zu treffen; Fahrer von H2 -Transporten benötigen beispielsweise eine spezielle Zertifizierung. Grundsätzlich gilt: Gasförmiger Wasserstoff ist für den Menschen nicht gefährlicher als Erdgas oder Diesel. Er hat andere Eigenschaften, ist zum Beispiel geruchlos. Als leichtestes aller Elemente steigt Wasserstoff sofort auf. Wer ihm bei ungeplantem Austritt auf die Schliche kommen will, sollte Detektoren an der Decke anbringen, etwa in Fahrzeughallen. Es gibt also bereits umsetzbare Lösungen für die Sicherheitsvorkehrungen, die nötig sind.

Anders sieht es bei flüssigem, auf minus 253 Grad Celsius gekühlten Wasserstoff aus. Doch der Energiebedarf zur Verflüssigung macht rund ein Drittel der gespeicherten Energie aus (36 kJ/g zu 120 kJ/g). Zwar wird hier weiter geforscht – etwa im Flugverkehr ist hochkomprimierter Wasserstoff gefragt –, doch bis auf Weiteres liegt in Hagen der Fokus auf gasförmigem, wegen seiner geringen Dichte komprimiertem Wasserstoff. Dieser reagiert insbesondere mit Metallen, was zu einer Versprödung des Materials führen kann. Das bedeutet weniger Gefahr für das Material der Fernleitungen selbst, kann aber Ventile oder Armaturen in den Verteilnetzen betreffen.

Erzeuger gesucht

Im Herbst gibt es einen Förderaufruf für die Nutzung von Wasserstoff in schweren Nutzfahrzeugen – das dürfte die bereits als hoch eingestufte Nachfrage weiter nach oben treiben. Was hingegen zum jetzigen Zeitpunkt noch immer fehlt, ist eine verbindliche Zusage eines H2 -Produzenten. Es gibt zwei Kandidaten, ihr endgültiges „Ja“ steht aber noch aus. Sehr wahrscheinlich ist, dass beide Akteure zunächst die Umstellung des Leitungsnetzes von Erdgas auf Wasserstoff abwarten werden. „Wir sind dennoch auf einem guten Weg“, sind sich Shaun Pick und Nikolas Beneke sicher. „Wenn diese letzte Hürde genommen ist, kann alles sehr schnell gehen.“

Wir informieren Sie auch weiterhin zu Fragen und Entwicklungen rund um das HyExperts- Programm in und für Hagen. Wie kann zum Beispiel die Industrie vor Ort von Wasserstoff profitieren? Wodurch wird der Wärmesektor noch klimafreundlicher? Und: Welche weiteren Stakeholder spielen in dem Verbundprojekt eine entscheidende Rolle? Bleiben Sie dran!